Aufgrund der aktuellen Situation werden derzeit nahezu alle Veranstaltungen abgesagt. ... » weiterlesen
Wolfhagens Weg zur energieeffizienten Kommune
Birgit Beutel und Berater begleitet ein spannendes Forschungsprojekt, bei dem eine Kommune versuchen möchte die historische Innenstadt unter energetischen Gesichtspunkten zu sanieren. Dabei sollen alle BürgerInnen aktiv beteiligt, und gleichzeitig der demografische Wandels berücksichtigt werden. Es beweist, wie wichtig eine begleitende Moderation in der Kommunikation zwischen Bürgen, Stadtverwaltung und Politik ist, um eine Vision erfolgreich auf den Weg zu bringen.
Ausgangssituation
Die Stadt Wolfhagen hatte sich im Jahr 2010 beim Wettbewerb „Energieeffiziente Stadt“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung beworben. Wolfhagen war eine von fünf Gewinnerstädten des Wettbewerbs. Bei dem Wettbewerb „Energieeffiziente Stadt“ geht es darum, die Energieeffizienz in Städten und Kommunen zu steigern. Das Projekt beinhaltet eine begleitende Forschung die das Ziel hat, die Idee und den Lösungsansatz auf andere Kommunen zu übertragen.
Die Stadt Wolfhagen wiederum schrieb im Rahmen des modular aufgebauten Forschungsprojektes die Moderation und Steuerung des Prozesses mit allen Beteiligten aus. Hierbei bekamen wir den Zuschlag. Das ganze Projekt ist über mehrere Jahre angesetzt und befindet sich im Sommer 2015 in einer fortgeschrittenen Phase der Bürgerbeteiligung.
Problemstellung
Auf nahezu alle Städte und Kommunen kommen in den nächsten Jahren große Herausforderungen zu. Insbesondere die Innenstädte mit ihren historischen Gebäuden müssen saniert werden. Unmittelbar verknüpft ist dieses Problem mit dem demografischen Wandel in unserer Gesellschaft, der sich mittelfristig auf die Stadtentwicklung negativ auswirkt.
Wohnraum in Fachwerkhäusern ist tendenziell für nachfolgenden Generationen weniger attraktiv. Junge Familien bevorzugen den Bau eines Eigenheims, weil hier unter anderem mehr Platz für Gärten und Freiflächen ist, als in der Innenstadt. Der lokale Handel stellt sich darauf ein und baut Einkaufszentren bevorzugt am Stadtrand, wo die BürgerInnen bequemer einkaufen können.
Wettbewerbsidee
Die Förderinitiative „Energieeffiziente Stadt“ des Bundesministeriums für Bildung und Wirtschaft hat den Wettbewerb deshalb ausgeschrieben, um mithilfe einer systemischen Betrachtung zukunftsweisende Ideen und Innovationen mit Dienstleistungen Städte energieeffizienter zu gestalten. Die Städte, die dabei bei dem Wettbewerb gewonnen haben, dienen aus Sicht der Forschung als Leuchtturmprojekte, um anderen Städten als Vorbild zu dienen.
Vereinfacht ist aus wissenschaftlicher Sicht die Frage zu klären, ob historische Gebäude unter dem Gesichtspunkt der Energieeffizienz sich so sanieren lassen, dass langfristig Energiekosten gespart werden, damit attraktiver Wohnraum wiederhergestellt wird und BürgerInnen in den Innenstädten bleiben. So ein Projekt kann nur realisiert werden, wenn ein Konzept entwickelt wird, an dem betroffene BürgerInnen von vornherein eingebunden werden.
Methodik
Aus methodischer Sicht ist bei diesem Projekt ein Buttom-up-Prozess gestartet worden, der von uns moderiert und begleitet wird. Erst wenn die Sichtweise der BürgerInnen wahrgenommen wird, sie ihre Sorgen und Pläne geäußert haben, erst dann können sie in den Entwicklungsprozess integriert, und Modelle für eine energieeffiziente Stadt erarbeitet werden.
Phase 1
Unsere erste Aufgabe bestand in 2012 darin, zunächst die im Forschungsgebiet wohnenden BürgerInnen zu kontaktieren und auf das Projekt aufmerksam zu machen. Über einen Zeitraum vom einem Jahr luden wir zu verschiedenen Workshops ein. Zu den Beteiligten gehörte neben den BürgerInnen von Wolfhagen der Bürgermeister mit Mitarbeitern der Stadtverwaltung, Politiker, Steuerberater, Juristen und Mitarbeiter der Denkmalschutzbehörde. Ziel der ersten Phase war es einen Ist-Zustand zu ermitteln, welche Pläne die BürgerInnen mit ihren Häusern in Zukunft haben. Die Workshops dienten dazu, die Sichtweisen der BürgerInnen, der Stadtverwaltung und des Denkmalschutzes darzustellen.
Im September 2014 fand schließlich die Zukunftskonferenz „Wolfhagen – lebendige Altstadt“ statt, die von unserem Team moderiert und dokumentiert wurde. Diese Veranstaltung hatte das Ziel, BürgerInnen und Behörden in Austausch zu bringen. Highlight dieser Konferenz war ein engagiertes Improvisationstheater, welches mögliche Zukunftsszenarien aufführte. Ausgehend von den Fragen: „Was passiert, wenn nichts passiert“ und „Was passiert, wenn was passiert?“ bekamen die BürgerInnen Impulse, um ihre Visionen in Form von Papphäusern zu gestalten.
Phase 2
In der laufenden Phase 2 geht es darum konkrete Interessenten zu gewinnen, um mögliche Gebäudecluster zu bilden. Dabei wird derzeit erörtert, wie beispielsweise gemeinsam genutzte Blockheizkraftwerke sowie alternative Nutzungskonzepte der Gebäude infrage kommen können. Auch Ideen zum Generationsübergreifenden Wohnen werden erörtert.
Darüber hinaus tauschen sich die Siegerstädte des Wettbewerbs „Energieeffiziente Stadt“ einmal im Jahr aus. Die Projektverantwortlichen präsentieren Ergebnisse aus ihrer Arbeit und geben wertvolle Erfahrungen weiter.
Zwischenergebnis
Nach zwei Jahren lässt sich aus unserer Sicht feststellen:
- Die BürgerInnen wurden überwiegend erreicht und mitgenommen. Sie brachten sich ein und sind bereit die Zukunft von Wolfhagen mitzugestalten.
- Ebenso ist es gelungen, viele BürgerInnen zu überzeugen, Verantwortung für die Stadt zu übernehmen.
Zwischenfazit von Birgit Beutel
„Es hat sich gezeigt, dass eine neutrale Moderation enorme Vorteile für so ein komplexes Projekt hat. Durch unsere Unbefangenheit und Allparteilichkeit kommen Mitglieder der Stadtverwaltung, Politiker und die Bürgerschaft zu ihrem Recht gehört und ernst genommen zu werden. Wir entwickeln Konzepte, führen Veranstaltungen durch und begleiten den Entwicklungsprozess. Darüber hinaus dokumentieren wertneutral die Resultate. Das schafft für alle Beteiligten verbindliche Ergebnisse.“
Ausblick
Das Ziel der Phase 2 ist die Bildung eines oder mehrerer Cluster/ Quartiere, die in die konkrete Planungsphase einbezogen werden. Dazu committen sich mehrere Hausbesitzer gemeinsam aktiv zu werden. Nach einem „Letter of intend“ werden die Architekten aktiv und setzen planerisch die Ideen um. Erst danach müssen die Hausbesitzer entscheiden, ob sie die Planungen mit Unterstützung von Fördergeldern realisieren. Sie erhalten also eine komplette Planung zum „Nulltarif“, mit der sie ihr Haus für die Zukunft fit machen.
Video: Vortrag zu Thema Beteiligungsprozesse in Kommunen „ Thema: Kommunikation mit Stadtgesellschaft – eine besondere Herausforderung?